Mit einer Schifffahrt mitten in die Illegalität!

Der Wecker knallte uns aus den Träumen. 6.10 MEZ war auf dem Handy in grossen Lettern zu lesen. Wir knitterten uns aus dem Bett und fuhren dann schlussendlich in 20min nach Saint Malo und waren so mit 15min spatzig am Terminal angekommen.
Wir hängten nun auf dem grossen Parkplatz vor der Fähre und begannen uns ab der Wichtigtuerei zu amüsieren.

Es ist wie am Flughafen: alles ist ja soooooo mega wichtig und sooooooo mega kompliziert, dass alles soooooo mega lange dauert. Und natürlich muss jeder alle 2sec. in sein Funkgerät sprechen, denn die Lage ändert sich mindestens alle 1.5sec. schlagartig und dramatisch!

So standen wir nun in der Kolonne und dann ging’s los: die Kontrollhäuschen hatten die Tore aufgemacht und nach ca. 15 Minuten warten (mit 2 Autos vor uns!) waren wir an der Reihe. Wir wurden daran erinnert, dass wir eine Maske brauchen und ob wir diese dabei haben. Hatten wir natürlich, denn wir hatten sie ja auf. Dann wurde die ID kontrolliert, zuerst vorne, dann hinten. Hinten war doppelt lustig, denn was genau sollte er da sehen? Die Körpergrösse von uns, sitzend im Camper? Oder doch den Bürgerort? An der Länge der Betrachtung muss wohl davon ausgegangen werden, dass er wohl selbst nicht genau wusste, was er da sehen würde.

Lustig war auch der Fotovergleich, die Maske mussten wir ja anbehalten. Aber er hat sicher unsere tollen Augen haargenau vom matten Foto auf der ID erkannt und vermutlich hat er gleich noch alle Stirnrunzeln gezählt, denn er brauchte auch für diese Kontrolle eine halbe Ewigkeit.

Dann endlich erhielten wir ein Ticket, welches wir an die Frontscheibe kleben mussten. Das war natürlich wichtig, denn wir hätten ja links oder rechts aus der Spur geraten können, aus versehen das Geländer durchbrechen und dann statt auf der Fähre auf einem Fischkutter boarden können. Dann hätten die vom Fischkutter dank dem Code sofort gemerkt: die gehören ja gar nicht auf den Fischkutter!

Dann kam das Ok, dass wir nun zum Zoll fahren dürften. Der Zoll, das waren zwei Polizisten, welche 5m weiter vorne an der Strasse zur Fähre standen. Maske auf Scheiben runter und ID raus. Das wurde dann wieder ganz französisch gehandhabt: nach ca. 30 sec. am Zoll durften wir weiterfahren. Nun gings wieder in die Kolonne und man musste natürlich die richtige Fahrspur erwischen.

Der Einweiser war auch schon voll auf Trab und fuchtelte wild herum und deutete mit wirren Gesten, wer gerade in Richtung Rampe fahren durfte. Als Camper waren wir natürlich erst gegen den Schluss am Zug. Aber wer schon Fähre gefahren ist, weiss: die Letzten werden die Ersten sein. So fuhren wir über die Schwelle in die rechte Garage der Schnellfähre.
Die Condor-Schnellfähre «HSC Condor Rapide» ist ein Katamaran, welcher eine Spitzengeschwindigkeit von über 80kmh erreicht. Damit ist die Reisezeit von Saint-Malo nach Jersey ca. 1.5h. Als Vergleich, die Fähre, welche wir nach Korsika hatten, hätte für die gleiche Strecke 2h und 36 Minuten gebraucht. Expressfähre ist also nicht gelogen.

Im Bauch der Fähre angekommen wurden wir sofort von 6 Personen eingewiesen, stellten den Camper ab und gingen dann hoch zu unseren Plätzen. Die Fähre ist innen wirklich grosszügig gestaltet und man fühlt sich sehr wohl.

Für die Abfahrt begaben wir uns nach draussen, denn wir wollten Saint Malo in den Morgenstunden geniessen.

Morgenstimmung in Saint-Malo.

Die Einfahrt in den Hafen von St. Helier mussten wir leider vom Platz aus beobachten. Wir wurden angewiesen, die Plätze nicht mehr zu verlassen, bis wir das Ok erhalten würden und dann müssten wir sofort zum Auto. Klar: Corona lässt auch da grüssen.

Dann fuhren wir aus der Fähre und wurden gleich ausserhalb ein erstes Mal gestoppt: „Do you have a code“? Natürlich! Wir hatten ja das Formular ausgefüllt. Sehr gut – wir konnten 20m weiter fahren. Dort wurden wir wieder gestoppt. Die Codes des Corna-Mails wurden abgeschossen und wir mussten die Fangfrage „What’s your first name“ beantworten. Fein säuberlich in zittriger Schrift wurde unser Corona-Testkit beschriftet und mit Strichcode versehen. Anschliessend wurde uns das ganze in die Hand gedrückt. Und wir hätten zum nächsten Streckenposten, 20m weiter vorne, fahren können.

Leider hatte der Insulaner vor uns gemogelt und war ungerechtfertigterweise in die Boxengasse für Leute mit Codes gefahren und das ganz ohne Code! Das war nun natürlich sehr blöd, denn er stand genau so, dass von allen 3 Spuren kein Auto mehr auch nur einen Meter weit fahren konnte. Irgendwann kam dann doch einer der sieben Verkehrskadetten auf die Idee, den guten Jerseyaner einfach mal auf einen Parkplatz zu schicken und so konnten wir dann in Richtung Posten 3 aufbrechen. Dort wurden wir von 2 Weisskutten gestoppt und nun gab’s endlich den Covid-19 Test. Wir händigten den Leuten in Weiss den Kit aus und schon hatten wir ein Wattestäbli zuerst im Mund und dann wurde damit noch in der Nase herumgebohrt. Das ganze wurde ins Röhrchen gelegt, gut verschlossen und wir wurden in die Freiheit entlassen.

Obacht: in Jersey fährt man andersrum (aber sie haben gar rein nix mit England zu tun, sie sind VÖLLIG autonom). Doch nach 1x Verfahren waren wir mental und physisch auf der richtigen Spur und tuckerten dem Strand entlang in Richtung Westen.

Leuchtturm La Corbière auf Jersey.

Auf einem netten Hochplatz mit Aussicht auf einen Denkmalsturm und einen superschönen Leuchtturm gönnten wir uns ein Frühstück. Die Sonne schien, das Meer rauschte, die Möwen drehten ihre Kreise und wir genossen die Ankunft in Jersey.
Wie bereits erwähnt gehört Jersey weder zu England noch zur EU, sondern ist im ganz persönlichen Besitz der Queen. Nicht so schlecht, so ein Inselchen von 8x14km Grösse. Sie haben ihre eigene Währung (Jerseypfund, 1:1 zum englischen Pfund), die eigenen Auto-Nummern (statt GB ist es JGB), und haben keine Skrupel bei Finanzgeschäften. Die Schweiz anno dazumal und Lichtenstein sind daneben Waisenknaben.

Ja, gross ist die Insel wirklich nicht, denn wir fuhren dann weiter in Richtung Mitte, einmal um den Flughafen und hoppla, waren wir schon beim Camping im Nordwesten. Dort wollten wir die Zelte, bzw. den Camper aufschlagen und fuhren in den Eingangsbereich.

Die Empfangsdame war nicht nur überrascht, sondern wirklich überrumpelt, denn sie konnte nicht fassen, wie wir es bis hierhin geschafft hatten!

Warum?

Sie erklärte uns, dass wir eigentlich komplett illegal auf der Insel sind und uns noch illegaler bewegen! Campervans sind grundsätzlich auf Jersey verboten, ausser man reicht frühzeitig ein Gesuch ein, welches bewilligt wird, wenn man einen Platz auf einem Camping gebucht hat. Dann erhält man einen Permis, welcher zusichert, dass man von der Fähre auf den Camping fahren darf. Sonst bleibt das Herumfahren auf Jersey mit dem Camper verboten.
Nun war uns auch klar, weshalb wir die einzigen weit und breit mit einem Camper waren…

Zweite Option, um einigermassen legal auf Jersey zu sein wäre mit einem maximal 72h alten, negativen Covid-19-Test beim Camping einen Platz zu buchen und dann zwar illegal zum Camping fahren, aber legal auf der Insel zu sein, da man ja einen gebuchten Campingplatz hat. Unser Test war natürlich noch nicht ausgewertet, also fiel Option 2 für uns auch weg.

Die nette Dame hatte aber noch eine Grauzonenvariante: es gibt im Osten ein Hostel, welches einen grossen Parkplatz hat und sicherlich froh ist, wenn wir dort ein Zimmer nehmen. So wären wir zumindest irgendwie einigermassen legal auf Jersey.

Unser «Hide-away» für 2 Tage.

Wir fuhren sogleich hin und schritten zur Reception. Oh Wunder, der Leiter konnte es kaum fassen, wie wir es bis hierhin geschafft hatten. Wir erklärten, dass es möglich war, ohne irgend eine Angabe die Reise zu buchen und dass wir extra noch am Schalter waren und gefragt hatten, ob es irgendwelche Einschränkungen gäbe. Sein Fazit: „The bloody french!“ Und wir erhielten von ihm Asyl in Form eines Zimmers und einem Platz für den Camper.

Wichtiges Detail: auf der Wiese mussten wir links stehen, denn da waren die Parkplätze und ja nicht rechts, denn dort waren die Campingplätze! Ab sofort interessierte es niemanden mehr, dass wir trotzdem im Camper lebten, denn auf der linken Seite ist das ja nur parkieren.
So köchelten wir noch Znacht, gingen dann noch kurz in unser Zimmer duschen und Zähne putzen und dann zurück in den Camper auf unseren 5*-Futon.